Die neue EU-Produktsicherheitsverordnung 2023/998 - GPSR

Die EU ordnet das Verbraucherprodukte-Recht neu. Bisher war es im Wesentlichen durch die Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG geregelt, die in den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt wurde. Wie in vielen anderen Regelungsbereichen auch, ersetzt der EU-Gesetzgeber dieses Richtliniensystem durch eine unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten geltende Regelung, der EU-Produktsicherheitsverordnung bzw. General Product Safety Regulation (GPSR). Grund sind die Herausforderungen, welche die Digitalisierung und der Vertrieb von Verbraucherprodukten über Online-Marktplätze wie Amazon mit sich bringt. Gerade beim Handel über Plattformen wie Amazon gab es über die letzten Jahre einen Wildwuchs an nicht rechtskonformen Produkten, insbesondere bei Produkten, die einer CE-Zertifizierung unterliegen (z.B. elektronische Geräte, Medizinprodukte, Spielzeug). 

Ab wann gilt die neue Produktsicherheitsverordnung?

Die neue Produktsicherheitsverordnung ist 12. Juni 2023 in Kraft getreten und gilt ab dem 13. Dezember 2024.  

Wen betrifft die Produktsicherheitsverordnung?

Die GPSR betrifft alle Wirtschaftsakteure und Online-Marktplatzbetreiber, die Verbraucherprodukte in der EU anbieten. Für sie ergeben sich diverse Änderungen im allgemeinen Produktsicherheitsrecht. Die Verordnung nimmt allerdings diverse Produkte vom Anwendungsbereich aus, für die spezielle Regelungen gelten, insbesondere Human- und Tierarzneimittel, Lebensmittel, Futtermittel, tierische Nebenprodukte und Pflanzenschutzmittel.

 

Die Verordnung gilt allerdings auch für Produkte, die zwar kein Lebensmittel sind, aber aufgrund ihrer Form, ihres Geruchs, ihrer Farbe, ihres Aussehens, ihrer Verpackung, ihrer Kennzeichnung oder anderer Eigenschaften einem Lebensmittel ähneln und leicht damit verwechselt werden können und daher von Verbrauchern, insbesondere von Kindern, zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt werden könnten.

 

Die Verordnung gilt für neue, gebrauchte, reparierte oder wiederaufgearbeitete Produkte, die in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden. Sie gilt nicht für Produkte, die vor ihrer Verwendung repariert oder wiederaufgearbeitet werden müssen und bereits als solche in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt wurden, sofern sie eindeutig als solche gekennzeichnet sind. 

Prinzip der Konformitätsvermutung

Wie bisher gilt eine Konformitätsvermutung für ein Produkt, wenn es entweder den anwendbaren europäischen Normen entspricht oder nationalen Anforderungen folgt, sofern diese mit dem Unionsrecht in Einklang stehen. Obwohl die Vermutung der Konformität besteht, können Marktüberwachungsbehörden dennoch Maßnahmen ergreifen, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass ein Produkt trotz dieser Vermutung gefährlich ist.

Pflichten der Hersteller

Den Hersteller treffen die meisten Pflichten. Dabei ist wichtig zu wissen, wer alles als Hersteller gilt. So gilt eine Person auch als Hersteller und unterliegt den Pflichten des Herstellers, wenn sie ein Produkt unter ihrem Namen oder ihrer Handelsmarke in Verkehr bringt. Eine Person gilt auch als Hersteller, wenn sie das Produkt wesentlich verändert und diese Änderung die Sicherheit des Produkts beeinflusst.

 

Die Pflichten der Hersteller gemäß der Verordnung beinhalten folgende Punkte:

  • Hersteller müssen sicherstellen, dass ihre Produkte gemäß dem allgemeinen Sicherheitsgebot entworfen und hergestellt werden. 
  • Vor dem Inverkehrbringen führen Hersteller eine interne Risikoanalyse durch und erstellen technische Unterlagen, die Informationen zur Sicherheit des Produkts enthalten. Neu ist hier vor allem, dass bei der Sicherheitsbewertung eine Einwirkung auf andere Produkte berücksichtigt werden muss, wenn eine gemeinsame Verwendung des Produkts mit anderen Produkten, einschließlich der Verbindung dieser Produkte, vernünftigerweise vorhersehbar ist. 
  • Die technischen Unterlagen müssen auf dem neuesten Stand gehalten und für Marktüberwachungsbehörden zehn Jahre lang verfügbar gemacht werden. Bei in Serie gefertigten Produkten muss stets die Konformität mit dem Sicherheitsgebot sichergestellt sein.
  • Produkte müssen eine Identifikationsnummer oder andere leicht erkennbare Elemente tragen.
  • Hersteller müssen ihren Namen, Adresse und Kontaktdaten auf dem Produkt angeben.
  • Klare Anweisungen und Sicherheitsinformationen müssen beigefügt werden.
  • Falls ein Produkt als gefährlich eingestuft wird, müssen Hersteller unverzüglich Korrekturmaßnahmen ergreifen und Verbraucher sowie Marktüberwachungsbehörden informieren.
  •  Informationen zur Warnung der Verbraucher müssen über das Safety-Business-Gateway zugänglich gemacht werden.
  • Hersteller müssen andere Wirtschaftsakteure und Anbieter von Online-Marktplätzen über Sicherheitsprobleme in der Lieferkette informieren.
  • Öffentlich zugängliche Kommunikationskanäle müssen eingerichtet werden, um Beschwerden von Verbrauchern zu ermöglichen.
  • Hersteller müssen eingereichte Beschwerden und Informationen über Sicherheitsprobleme intern untersuchen und ein Verzeichnis führen. Personenbezogene Daten im internen Beschwerdeverzeichnis dürfen nur für die Prüfung verwendet und maximal fünf Jahre gespeichert werden.

Pflichten des Bevollmächtigten

Ein Hersteller kann einen Bevollmächtigten schriftlich benennen, der bestimmte Aufgaben in seinem Auftrag wahrnimmt. Der Bevollmächtigte ist befugt, auf Anfrage der Marktüberwachungsbehörden alle erforderlichen Informationen und Unterlagen zur Produktsicherheit in einer verständlichen Amtssprache zu übermitteln. Wenn der Bevollmächtigte vermutet oder Grund zur Annahme hat, dass ein Produkt gefährlich ist, muss er den Hersteller darüber informieren. Der Bevollmächtigte ist auch verpflichtet, die zuständigen nationalen Behörden über Maßnahmen zur Risikobeseitigung für die Produkte, die er vertritt, zu informieren und auf Anfrage der Behörden mit ihnen zusammenzuarbeiten, um die Risiken wirksam zu beseitigen.

Neu: Die verantwortliche Person

Das Prinzip der verantwortlichen Person findet sich z.B. bereits in der EU-Kosmetikverordnung 1223/2009 und gilt unabhängig davon, ob ein Hersteller im Drittland oder EU sitzt, es muss eine verantwortliche Person benannt werden, die dann für folgende Aufgaben verantwortlich ist: 

  • Falls in den für ein Produkt geltenden Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union eine EU-Konformitätserklärung oder eine Leistungserklärung und technische Unterlagen vorgeschrieben sind: Überprüfung, dass die EU-Konformitätserklärung oder die Leistungserklärung und die technischen Unterlagen erstellt wurden, Bereithaltung der Konformitätserklärung oder der Leistungserklärung für die Marktüberwachungsbehörden während des vorgeschriebenen  Zeitraums und Sicherstellung, dass die technischen Unterlagen diesen Behörden auf Aufforderung zur Verfügung  gestellt werden können;
  • auf begründetes Verlangen einer Marktüberwachungsbehörde: Übermittlung aller zum Nachweis der Konformität des Produkts erforderlichen Informationen und Unterlagen an die Behörde in einer Sprache, die für diese Behörde leicht verständlich ist;
  • sofern Gründe für die Annahme vorliegen, dass ein bestimmtes Produkt ein Risiko darstellt: Unterrichtung der Marktüberwachungsbehörden;

Dieser Wirtschaftsakteur ist zusätzlich dazu verpflichtet, die Sicherheit des Produkts zu gewährleisten, indem er regelmäßig überprüft, ob das Produkt den technischen Unterlagen und den Anforderungen entspricht, die für den Hersteller gelten. Die Marktüberwachungsbehörden können von der verantwortlichen Person dokumentierte Nachweise über die durchgeführten Überprüfungen verlangen.

 

Auf dem Produkt oder seiner Verpackung müssen der Name, der eingetragene Handelsname oder die eingetragene Handelsmarke sowie die Kontaktdaten, einschließlich der Postanschrift und der E-Mail-Adresse, des verantwortlichen Wirtschaftsakteurs angegeben sein.

Pflichten der Importeure

Die Pflichten der Einführer gemäß der Verordnung umfassen Folgendes:

  • Vor dem Inverkehrbringen müssen Einführer sicherstellen, dass das Produkt dem allgemeinen Sicherheitsgebot entspricht und der Hersteller die Anforderungen befolgt hat.
  • Falls ein Produkt nicht den Anforderungen entspricht oder als gefährlich eingestuft wird, darf der Einführer das Produkt nicht in Verkehr bringen und muss den Hersteller informieren.
  • Einführer müssen ihre Kontaktdaten auf dem Produkt oder der Verpackung angeben.
  • Klare Anweisungen und Sicherheitsinformationen müssen dem Produkt beigefügt sein, sofern erforderlich.
  • Einführer müssen sicherstellen, dass die Lagerungs- oder Transportbedingungen die Konformität des Produkts nicht beeinträchtigen.
  • Kopien der technischen Unterlagen müssen für zehn Jahre bereitgehalten und den Marktüberwachungsbehörden auf Anfrage vorgelegt werden.
  • Einführer müssen mit den Marktüberwachungsbehörden und dem Hersteller zusammenarbeiten, um die Sicherheit der Produkte zu gewährleisten.
  • Bei gefährlichen Produkten müssen Einführer den Hersteller informieren, die erforderlichen Korrekturmaßnahmen ergreifen, die Verbraucher informieren und die Marktüberwachungsbehörden über das Safety-Business-Gateway benachrichtigen.
  • Einführer müssen öffentlich zugängliche Kommunikationskanäle einrichten, damit Verbraucher Beschwerden einreichen und Unfälle oder Sicherheitsprobleme melden können.
  • Eingereichte Beschwerden und Informationen über Produktsicherheit müssen untersucht und in einem Verzeichnis festgehalten werden. Personenbezogene Daten im Beschwerdeverzeichnis dürfen nur für die Prüfung verwendet und maximal fünf Jahre gespeichert werden.

Pflichten der Händler

Die Pflichten der Händler gemäß der Verordnung sind wie folgt:

  • Händler müssen sicherstellen, dass der Hersteller und gegebenenfalls der Einführer die Anforderungen erfüllt haben, bevor sie ein Produkt auf dem Markt bereitstellen.
  • Händler müssen sicherstellen, dass die Lagerungs- oder Transportbedingungen die Konformität des Produkts mit den Sicherheitsanforderungen nicht beeinträchtigen.
  • Wenn ein Händler vermutet oder Grund zu der Annahme hat, dass ein Produkt nicht den Anforderungen entspricht, darf er es nicht auf dem Markt bereitstellen, es sei denn, die Konformität wurde hergestellt.
  • Wenn ein Händler vermutet oder Grund zu der Annahme hat, dass ein Produkt gefährlich oder nicht konform ist, muss er den Hersteller bzw. Einführer informieren, die erforderlichen Korrekturmaßnahmen sicherstellen und die Marktüberwachungsbehörden benachrichtigen.

Anbieter von Online-Marktplätzen

Anbieter von Online-Marktplätzen haben besondere Pflichten im Zusammenhang mit der Produktsicherheit:

  • Sie benennen eine zentrale Kontaktstelle für die Kommunikation mit den Marktüberwachungsbehörden und registrieren sich beim Safety-Gate-Portal.
  • Sie benennen eine zentrale Kontaktstelle für die direkte Kommunikation mit Verbrauchern bezüglich Produktsicherheit.
  • Anbieter müssen Vorgaben für die Präsentation von Produkten, darunter Sicherheitswarnungen und Identifizierungsinformationen, auf ihrer Plattform bereitstellen.
  • Sie reagieren auf Meldungen bezüglich Produktsicherheit unverzüglich und arbeiten mit Marktüberwachungsbehörden und Wirtschaftsakteuren zusammen.
  • Anbieter müssen eine effektive Produktrückrufpolitik gewährleisten und gefährliche Produkte den zuständigen Behörden melden.
  • Sie unterstützen Strafverfolgungsbehörden und gestatten den Zugang zu ihren Schnittstellen für Identifizierungszwecke von gefährlichen Produkten.
  • Sie ermöglichen auf Ersuchen den Marktüberwachungsbehörden den Zugang zu Daten bezüglich Produktsicherheit.

Wichtig für alle Beteiligten: Internes System zur Umsetzung der Verordnung

Alle Wirtschaftsakteure müssen interne Verfahren zur Gewährleistung der Produktsicherheit haben, um die Anforderungen der Verordnung zu erfüllen.

Informationspflichten im Fernabsatz

Stellt ein Wirtschaftsakteur Produkte online oder über eine andere Form des Fernabsatzes auf dem Markt bereit, so muss das Angebot dieser Produkte mindestens die folgenden eindeutigen und gut sichtbaren Angaben enthalten:

  • den Namen, den eingetragenen Handelsnamen oder die eingetragene Handelsmarke des Herstellers sowie die Postanschrift und die E-Mail-Adresse, unter denen er kontaktiert werden kann
  • falls der Hersteller nicht in der Union niedergelassen ist: den Namen, die Postanschrift und die E-Mail-Adresse der verantwortlichen Person
  • Angaben, die die Identifizierung des Produkts ermöglichen, einschließlich einer Abbildung des Produkts, seiner Art und sonstiger Produktidentifikatoren, und
  • etwaige Warnhinweise oder Sicherheitsinformationen in einer Sprache, die für die Verbraucher leicht verständlich ist

Zusammenarbeit mit den Marktüberwachungsbehörden

Die Zusammenarbeit der Wirtschaftsakteure mit den Marktüberwachungsbehörden umfasst folgende Punkte: Die Wirtschaftsakteure arbeiten mit den Marktüberwachungsbehörden zusammen, um Risiken, die mit den von ihnen auf dem Markt bereitgestellten Produkten verbunden sind, zu beseitigen oder zu mindern. Auf Verlangen der Marktüberwachungsbehörden müssen die Wirtschaftsakteure alle erforderlichen Informationen übermitteln, einschließlich einer vollständigen Beschreibung der Risiken des Produkts, damit verbundener Beschwerden und bekannter Unfälle sowie einer Beschreibung etwaiger ergriffener Korrekturmaßnahmen.

 

Die Wirtschaftsakteure müssen auf Verlangen auch Informationen über die Rückverfolgbarkeit des Produkts angeben, einschließlich der Lieferanten und Abnehmer.

Die Informationen müssen die Wirtschaftsakteure für einen bestimmten Zeitraum aufbewahren. 

 

Marktüberwachungsbehörden können von den Wirtschaftsakteuren regelmäßige Fortschrittsberichte verlangen und entscheiden, wann eine Korrekturmaßnahme als abgeschlossen gilt.

Rückverfolgbarkeitssystem

In bestimmten Fällen, in denen bestimmte Produkte, Produktkategorien oder Produktgruppen ein ernstes Risiko für die Gesundheit und Sicherheit von Verbrauchern darstellen, kann die Europäische Kommission ein Rückverfolgbarkeitssystem einführen. Dieses System verpflichtet die Wirtschaftsakteure, die diese Produkte in Verkehr bringen, Daten über das Produkt und seine Lieferkette zu erfassen und zu speichern. Die Daten können elektronisch erfasst und mithilfe eines Datenträgers auf dem Produkt, seiner Verpackung oder den Begleitunterlagen zugänglich gemacht werden.

Meldepflichten bei Unfall

Bei einem Unfall, der durch ein Produkt verursacht wurde, gelten bestimmte Meldepflichten für die Wirtschaftsakteure: Der Hersteller muss unverzüglich die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Unfall stattgefunden hat, über das Safety-Business-Gateway informieren. Die Meldung enthält Informationen über die Art und Identifikationsnummer des Produkts sowie die Umstände des Unfalls. Der Hersteller meldet den Behörden Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Verwendung des Produkts, die zum Tod oder schwerwiegenden Verletzungen geführt haben. Einführer und Händler, die von einem Unfall mit einem von ihnen in Verkehr gebrachten Produkt erfahren, informieren sofort den Hersteller darüber.

Rückrufpflichten konkretisiert

Wirtschaftsakteure und Anbieter von Online-Marktplätzen müssen Verbraucher direkt und unverzüglich über Produktsicherheitsrückrufe oder Sicherheitswarnungen informieren. Sie können personenbezogene Daten ihrer Kunden für Rückrufe und Sicherheitswarnungen nutzen.

 

Bei Produktregistrierungssystemen oder Kundenbindungsprogrammen müssen Verbraucher die Möglichkeit haben, separate Kontaktdaten ausschließlich für Sicherheitszwecke zu hinterlegen. Die Kommission kann Anforderungen für Produktregistrierungen festlegen, um Verbraucher direkt über Rückrufe oder Sicherheitswarnungen zu benachrichtigen.

 

Falls nicht alle Verbraucher erreicht werden können, müssen klare und sichtbare Rückrufanzeigen oder Sicherheitswarnungen über andere Kanäle verbreitet werden, auch in für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Formaten.

 

Produktsicherheitsrückrufe werden Verbrauchern schriftlich in Form einer leicht verständlichen Rückrufanzeige mit klaren Informationen über das zurückgerufene Produkt, die Gefahr, die von ihm ausgeht, und Abhilfemaßnahmen mitgeteilt.

 

Im Falle eines Produktsicherheitsrückrufs müssen Wirtschaftsakteure Verbrauchern wirksame, kostenfreie und zeitnahe Abhilfemaßnahmen anbieten.

 

Verbraucher haben die Wahl zwischen mindestens zwei Abhilfemaßnahmen: Reparatur, Ersatz oder Erstattung des Produktpreises. Eine Reparatur durch den Verbraucher ist eine wirksame Abhilfemaßnahme, wenn sie leicht und sicher durchgeführt werden kann.

Verbraucher können das zurückgerufene Produkt entsorgen, ohne dass dies ihre Rechte auf Erstattung oder Ersatz beeinträchtigt. Die Abhilfemaßnahme darf keine erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher mit sich bringen, und der Verbraucher trägt nicht die Kosten für den Versand oder die Rückgabe des Produkts. Nicht transportable Produkte müssen vom Wirtschaftsakteur abgeholt werden.


Aktuelles Thema: Der nicht ganz einfach zu definierende Anwendungsbereich der GPSR

Die neue EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR, Verordnung 2023/988) soll die Sicherheit von Verbraucherprodukten verbessern und sicherstellen, dass Produkte auf dem europäischen Markt den notwendigen Sicherheitsanforderungen entsprechen. Sie tritt an die Stelle der bisherigen Richtlinie zur allgemeinen Produktsicherheit und bringt erweiterte Pflichten für Wirtschaftsakteure sowie umfangreichere Aufsichtsmaßnahmen. Die GPSR regelt den allgemeinen Sicherheitsrahmen für alle Produkte, die an Verbraucher verkauft oder von ihnen genutzt werden könnten, aber keine spezifischen EU-Sicherheitsvorschriften haben oder bei denen solche Vorschriften bestimmte Risiken nicht abdecken. Zuweilen ist die Abgrenzung nicht einfach vorzunehmen. 

 

Anwendungsbereich der GPSR

 

Die GPSR gilt grundsätzlich für alle Produkte, die für Verbraucher bestimmt sind oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen von Verbrauchern genutzt werden können, unabhängig davon, ob diese Produkte entgeltlich oder unentgeltlich, in Verbindung mit anderen Gegenständen oder Dienstleistungen bereitgestellt werden. Auch Produkte, die zwar nicht explizit für Verbraucher gedacht, aber dennoch durch diese genutzt werden könnten, fallen unter die Verordnung. Beispiele sind Produkte, die für gewerbliche Zwecke entwickelt wurden, aber potenziell in die Hände von Endverbrauchern gelangen könnten. Damit erstreckt sich die GPSR auf ein breites Spektrum an Produkten und schließt auch solche ein, die möglicherweise keine klassische Verbraucherorientierung haben, aber realistisch für Verbraucher zugänglich sein könnten.

 

Ausnahmen vom Anwendungsbereich der GPSR

 

Einige Produktkategorien sind jedoch ausdrücklich von der GPSR ausgeschlossen, weil sie entweder durch andere spezifische EU-Rechtsvorschriften geregelt sind oder aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Diese umfassen unter anderem:

  1. B2B-Produkte: Produkte, die ausschließlich für den gewerblichen Gebrauch gedacht sind und nicht von Verbrauchern genutzt werden sollen.
  2. Stand-alone-Software: Software, die nicht in ein physisches Produkt integriert ist, unterliegt nicht der GPSR, da hier spezielle Regelungen für digitale Inhalte bestehen.
  3. Human- und Tierarzneimittel: Diese sind durch andere EU-Rechtsvorschriften abgedeckt und unterliegen spezifischen Sicherheitsanforderungen.
  4. Lebens- und Futtermittel: Diese Kategorien fallen unter die EU-Lebensmittel- und Futtermittelgesetzgebung und sind daher ebenfalls ausgenommen.
  5. Lebende Pflanzen und Tiere sowie bestimmte gentechnisch veränderte Organismen: Diese fallen nicht in den Geltungsbereich der GPSR, da ihre Sicherheit und Kontrolle separat geregelt ist.
  6. Pflanzenschutzmittel und Tierarzneimittel: Diese unterliegen ebenfalls spezifischen Regelungen und Sicherheitsstandards innerhalb der EU.
  7. Transportmittel: Beförderungsmittel, die direkt durch Dienstleistungserbringer bedient werden und nicht von Verbrauchern selbst gesteuert werden, sind ebenfalls ausgenommen.
  8. Antiquitäten: Historische Produkte, die oft nicht den modernen Sicherheitsstandards entsprechen, werden von der GPSR nicht erfasst, da sie üblicherweise nicht für den üblichen Verbrauchermarkt bestimmt sind.

Diese Ausnahmen stellen sicher, dass die GPSR sich nur auf Bereiche erstreckt, in denen keine spezielleren Vorschriften bestehen, um eine redundante Regulierung zu vermeiden und die Effektivität produktspezifischer Regelungen zu gewährleisten.

 

Ergänzende Funktion bei produktspezifischen EU-Sicherheitsvorschriften

 

In der EU gibt es für zahlreiche Produkte bereits detaillierte produktspezifische Sicherheitsvorschriften, die den Rahmen für Design, Herstellung, Vertrieb und Marktsicherheit dieser Produkte festlegen. Beispiele sind Richtlinien für Maschinen, Spielzeuge, persönliche Schutzausrüstung, Medizinprodukte, und mehr. Diese spezifischen Regelungen sind in Anhang I der Verordnung (EU) 2019/1020 festgehalten und schließen beispielsweise Düngemittel, Detergenzien, Maschinen, Batterien, Spielzeug, Energieverbrauchsrelevante Produkte, pyrotechnische Gegenstände, elektromagnetische Verträglichkeit und elektrische Betriebsmittel mit ein.

 

Produkte, die unter diese spezifischen Regelungen fallen, sind prinzipiell von der GPSR ausgenommen. Die GPSR gilt hier nur in Bezug auf Sicherheitsaspekte und Risiken, die in den produktspezifischen Vorschriften nicht adressiert werden. So könnte ein Produkt, das CE-gekennzeichnet ist und den harmonisierten EU-Sicherheitsstandards entspricht, dennoch gewisse Anforderungen der GPSR erfüllen müssen, wenn bestimmte Sicherheitsrisiken durch die vorhandene spezifische Regelung nicht vollständig abgedeckt sind. Das allgemeine Sicherheitsgebot der GPSR greift hier als ergänzende Sicherheitsregel, insbesondere wenn spezifische Risiken nicht in der harmonisierten Regelung thematisiert wurden.

 

Geltende Regelungen der GPSR für spezifizierte Produkte

 

Auch für Produkte, die unter spezifische Sicherheitsvorschriften fallen, bleiben bestimmte GPSR-Bestimmungen relevant. Dazu gehören beispielsweise:

  • Fernabsatz (Artikel 19): Sicherstellung der Produktsicherheit auch im Online- und Fernabsatzhandel.
  • Sicherheitsvorfälle und Meldungen (Artikel 20): Meldepflichten bei sicherheitsrelevanten Vorfällen bleiben auch für spezifisch regulierte Produkte bestehen, um schnelle Reaktionen bei aufkommenden Risiken zu gewährleisten.
  • Online-Marktplätze (Artikel 22): Verpflichtungen für Online-Marktplätze zur Gewährleistung der Produktsicherheit und zur proaktiven Überwachung gefährlicher Produkte auf ihren Plattformen.
  • Safety Gate (Artikel 26): Alle Hersteller müssen sicherheitskritische Vorfälle an das europäische Schnellwarnsystem Safety Gate melden, um eine EU-weite Überwachung und Koordinierung zu ermöglichen.
  • Verbraucherrechte (Kapitel VIII): Durchsetzung von Verbraucherrechten, wie z.B. das Recht auf Information über die Sicherheit und Risiken der gekauften Produkte.

Diese Bestimmungen stellen sicher, dass die GPSR auch in den Bereichen zur Anwendung kommt, in denen produktspezifische Vorschriften keine Regelungen zum Fernabsatz, zur digitalen Überwachung oder zu Verbraucherrechten enthalten. Insbesondere bei Online-Marktplätzen und im Bereich des Fernabsatzes ergänzt die GPSR die bestehenden Vorschriften und erhöht die Sicherheitsanforderungen im digitalen Handel.

 

Vorrang der produktspezifischen Sicherheitsvorschriften und Nachrangigkeit der GPSR

 

Die GPSR tritt zurück, wenn produktspezifische EU-Vorschriften Sicherheitsanforderungen bereits vollständig regeln. Es besteht eine grundsätzliche Nachrangigkeit der GPSR, die bedeutet, dass die spezifischen Regelungen Vorrang haben, um redundante Vorschriften und mögliche Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. Die GPSR greift daher nur ergänzend, wenn spezifische Sicherheitsaspekte durch die primären Vorschriften nicht abgedeckt sind.

 

Unklare Abgrenzungen und zukünftige Auslegung

 

Ein gewisser Interpretationsspielraum besteht weiterhin in Bezug auf die Formulierung des Artikels 2 Abs. 1, Unterabsatz 2 der GPSR, die besagt, dass die Verordnung „nur für diejenigen Aspekte und Risiken oder Risikokategorien gilt, die nicht unter diese Anforderungen fallen“. Dieser offene Wortlaut lässt Raum für Unsicherheiten darüber, inwieweit die GPSR bei bestimmten produktspezifischen Regelungen anwendbar ist und welche Aspekte durch die Verordnung geregelt werden könnten.

 

Zudem bleibt die Frage offen, inwieweit etwaige zusätzliche Sicherheitsanforderungen der GPSR auf bestimmte Produkte anzuwenden sind. Gemäß Erwägungsgrund 8 der GPSR ist die Verordnung speziell darauf ausgelegt, die Sicherheit zu erhöhen, wenn produktspezifische Regelungen potenzielle Risiken nicht abdecken. Zukünftige Leitlinien oder Gerichtsurteile könnten hier Klarheit schaffen und dabei helfen, die genauen Abgrenzungen im Sinne einer kohärenten und zielgerichteten Anwendung der Sicherheitsvorschriften auf Produkte des Verbrauchermarkts zu definieren.

 

Zusammenfassend bietet die GPSR einen umfassenden rechtlichen Rahmen zur Ergänzung spezifischer Sicherheitsvorschriften und zur Schließung etwaiger Regelungslücken. Sie schafft ein verbessertes Sicherheitsniveau für Verbraucherprodukte in der EU und stellt sicher, dass Hersteller und Händler sich an weitreichende Anforderungen zur Produktsicherheit, Marktüberwachung und Verbraucherschutz halten.


Kontaktaufnahme zum Anwalt für die EU-Produktsicherheitsverordnung

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Florian Meyer 

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