Die EU ordnet das Verbraucherprodukte-Recht neu. Bisher war es im Wesentlichen durch die Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG geregelt, die in den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt wurde. Wie in vielen anderen Regelungsbereichen auch, ersetzt der EU-Gesetzgeber dieses Richtliniensystem durch eine unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten geltende Regelung, der EU-Produktsicherheitsverordnung bzw. General Product Safety Regulation (GPSR). Grund sind die Herausforderungen, welche die Digitalisierung und der Vertrieb von Verbraucherprodukten über Online-Marktplätze wie Amazon mit sich bringt. Gerade beim Handel über Plattformen wie Amazon gab es über die letzten Jahre einen Wildwuchs an nicht rechtskonformen Produkten, insbesondere bei Produkten, die einer CE-Zertifizierung unterliegen (z.B. elektronische Geräte, Medizinprodukte, Spielzeug).
Die neue Produktsicherheitsverordnung ist 12. Juni 2023 in Kraft getreten und gilt ab dem 13. Dezember 2024.
Die GPSR betrifft alle Wirtschaftsakteure und Online-Marktplatzbetreiber, die Verbraucherprodukte in der EU anbieten. Für sie ergeben sich diverse Änderungen im allgemeinen Produktsicherheitsrecht. Die Verordnung nimmt allerdings diverse Produkte vom Anwendungsbereich aus, für die spezielle Regelungen gelten, insbesondere Human- und Tierarzneimittel, Lebensmittel, Futtermittel, tierische Nebenprodukte und Pflanzenschutzmittel.
Die Verordnung gilt allerdings auch für Produkte, die zwar kein Lebensmittel sind, aber aufgrund ihrer Form, ihres Geruchs, ihrer Farbe, ihres Aussehens, ihrer Verpackung, ihrer Kennzeichnung oder anderer Eigenschaften einem Lebensmittel ähneln und leicht damit verwechselt werden können und daher von Verbrauchern, insbesondere von Kindern, zum Mund geführt, gelutscht oder geschluckt werden könnten.
Die Verordnung gilt für neue, gebrauchte, reparierte oder wiederaufgearbeitete Produkte, die in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden. Sie gilt nicht für Produkte, die vor ihrer Verwendung repariert oder wiederaufgearbeitet werden müssen und bereits als solche in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt wurden, sofern sie eindeutig als solche gekennzeichnet sind.
Wie bisher gilt eine Konformitätsvermutung für ein Produkt, wenn es entweder den anwendbaren europäischen Normen entspricht oder nationalen Anforderungen folgt, sofern diese mit dem Unionsrecht in Einklang stehen. Obwohl die Vermutung der Konformität besteht, können Marktüberwachungsbehörden dennoch Maßnahmen ergreifen, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass ein Produkt trotz dieser Vermutung gefährlich ist.
Den Hersteller treffen die meisten Pflichten. Dabei ist wichtig zu wissen, wer alles als Hersteller gilt. So gilt eine Person auch als Hersteller und unterliegt den Pflichten des Herstellers, wenn sie ein Produkt unter ihrem Namen oder ihrer Handelsmarke in Verkehr bringt. Eine Person gilt auch als Hersteller, wenn sie das Produkt wesentlich verändert und diese Änderung die Sicherheit des Produkts beeinflusst.
Die Pflichten der Hersteller gemäß der Verordnung beinhalten folgende Punkte:
Ein Hersteller kann einen Bevollmächtigten schriftlich benennen, der bestimmte Aufgaben in seinem Auftrag wahrnimmt. Der Bevollmächtigte ist befugt, auf Anfrage der Marktüberwachungsbehörden alle erforderlichen Informationen und Unterlagen zur Produktsicherheit in einer verständlichen Amtssprache zu übermitteln. Wenn der Bevollmächtigte vermutet oder Grund zur Annahme hat, dass ein Produkt gefährlich ist, muss er den Hersteller darüber informieren. Der Bevollmächtigte ist auch verpflichtet, die zuständigen nationalen Behörden über Maßnahmen zur Risikobeseitigung für die Produkte, die er vertritt, zu informieren und auf Anfrage der Behörden mit ihnen zusammenzuarbeiten, um die Risiken wirksam zu beseitigen.
Das Prinzip der verantwortlichen Person findet sich z.B. bereits in der EU-Kosmetikverordnung 1223/2009 und gilt unabhängig davon, ob ein Hersteller im Drittland oder EU sitzt, es muss eine verantwortliche Person benannt werden, die dann für folgende Aufgaben verantwortlich ist:
Dieser Wirtschaftsakteur ist zusätzlich dazu verpflichtet, die Sicherheit des Produkts zu gewährleisten, indem er regelmäßig überprüft, ob das Produkt den technischen Unterlagen und den Anforderungen entspricht, die für den Hersteller gelten. Die Marktüberwachungsbehörden können von der verantwortlichen Person dokumentierte Nachweise über die durchgeführten Überprüfungen verlangen.
Auf dem Produkt oder seiner Verpackung müssen der Name, der eingetragene Handelsname oder die eingetragene Handelsmarke sowie die Kontaktdaten, einschließlich der Postanschrift und der E-Mail-Adresse, des verantwortlichen Wirtschaftsakteurs angegeben sein.
Die Pflichten der Einführer gemäß der Verordnung umfassen Folgendes:
Die Pflichten der Händler gemäß der Verordnung sind wie folgt:
Anbieter von Online-Marktplätzen haben besondere Pflichten im Zusammenhang mit der Produktsicherheit:
Alle Wirtschaftsakteure müssen interne Verfahren zur Gewährleistung der Produktsicherheit haben, um die Anforderungen der Verordnung zu erfüllen.
Stellt ein Wirtschaftsakteur Produkte online oder über eine andere Form des Fernabsatzes auf dem Markt bereit, so muss das Angebot dieser Produkte mindestens die folgenden eindeutigen und gut sichtbaren Angaben enthalten:
Die Zusammenarbeit der Wirtschaftsakteure mit den Marktüberwachungsbehörden umfasst folgende Punkte: Die Wirtschaftsakteure arbeiten mit den Marktüberwachungsbehörden zusammen, um Risiken, die mit den von ihnen auf dem Markt bereitgestellten Produkten verbunden sind, zu beseitigen oder zu mindern. Auf Verlangen der Marktüberwachungsbehörden müssen die Wirtschaftsakteure alle erforderlichen Informationen übermitteln, einschließlich einer vollständigen Beschreibung der Risiken des Produkts, damit verbundener Beschwerden und bekannter Unfälle sowie einer Beschreibung etwaiger ergriffener Korrekturmaßnahmen.
Die Wirtschaftsakteure müssen auf Verlangen auch Informationen über die Rückverfolgbarkeit des Produkts angeben, einschließlich der Lieferanten und Abnehmer.
Die Informationen müssen die Wirtschaftsakteure für einen bestimmten Zeitraum aufbewahren.
Marktüberwachungsbehörden können von den Wirtschaftsakteuren regelmäßige Fortschrittsberichte verlangen und entscheiden, wann eine Korrekturmaßnahme als abgeschlossen gilt.
In bestimmten Fällen, in denen bestimmte Produkte, Produktkategorien oder Produktgruppen ein ernstes Risiko für die Gesundheit und Sicherheit von Verbrauchern darstellen, kann die Europäische Kommission ein Rückverfolgbarkeitssystem einführen. Dieses System verpflichtet die Wirtschaftsakteure, die diese Produkte in Verkehr bringen, Daten über das Produkt und seine Lieferkette zu erfassen und zu speichern. Die Daten können elektronisch erfasst und mithilfe eines Datenträgers auf dem Produkt, seiner Verpackung oder den Begleitunterlagen zugänglich gemacht werden.
Bei einem Unfall, der durch ein Produkt verursacht wurde, gelten bestimmte Meldepflichten für die Wirtschaftsakteure: Der Hersteller muss unverzüglich die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Unfall stattgefunden hat, über das Safety-Business-Gateway informieren. Die Meldung enthält Informationen über die Art und Identifikationsnummer des Produkts sowie die Umstände des Unfalls. Der Hersteller meldet den Behörden Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Verwendung des Produkts, die zum Tod oder schwerwiegenden Verletzungen geführt haben. Einführer und Händler, die von einem Unfall mit einem von ihnen in Verkehr gebrachten Produkt erfahren, informieren sofort den Hersteller darüber.
Wirtschaftsakteure und Anbieter von Online-Marktplätzen müssen Verbraucher direkt und unverzüglich über Produktsicherheitsrückrufe oder Sicherheitswarnungen informieren. Sie können personenbezogene Daten ihrer Kunden für Rückrufe und Sicherheitswarnungen nutzen.
Bei Produktregistrierungssystemen oder Kundenbindungsprogrammen müssen Verbraucher die Möglichkeit haben, separate Kontaktdaten ausschließlich für Sicherheitszwecke zu hinterlegen. Die Kommission kann Anforderungen für Produktregistrierungen festlegen, um Verbraucher direkt über Rückrufe oder Sicherheitswarnungen zu benachrichtigen.
Falls nicht alle Verbraucher erreicht werden können, müssen klare und sichtbare Rückrufanzeigen oder Sicherheitswarnungen über andere Kanäle verbreitet werden, auch in für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Formaten.
Produktsicherheitsrückrufe werden Verbrauchern schriftlich in Form einer leicht verständlichen Rückrufanzeige mit klaren Informationen über das zurückgerufene Produkt, die Gefahr, die von ihm ausgeht, und Abhilfemaßnahmen mitgeteilt.
Im Falle eines Produktsicherheitsrückrufs müssen Wirtschaftsakteure Verbrauchern wirksame, kostenfreie und zeitnahe Abhilfemaßnahmen anbieten.
Verbraucher haben die Wahl zwischen mindestens zwei Abhilfemaßnahmen: Reparatur, Ersatz oder Erstattung des Produktpreises. Eine Reparatur durch den Verbraucher ist eine wirksame Abhilfemaßnahme, wenn sie leicht und sicher durchgeführt werden kann.
Verbraucher können das zurückgerufene Produkt entsorgen, ohne dass dies ihre Rechte auf Erstattung oder Ersatz beeinträchtigt. Die Abhilfemaßnahme darf keine erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher mit sich bringen, und der Verbraucher trägt nicht die Kosten für den Versand oder die Rückgabe des Produkts. Nicht transportable Produkte müssen vom Wirtschaftsakteur abgeholt werden.
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Florian Meyer