Lippenpflegeprodukte wurden jahrzehtelang weitgehend nur als Stifte vermarktet. In jüngster Zeit kommen immer mehr Lippenpflegekugeln auf den Markt und liegen voll im Trend, beispielsweise die der Firma eos (https://evolutionofsmooth.com). Derart erfolgreiche Designinnovationen bringen naturgemäß jede Menge Nachahmer mit sich, was zur Frage führt, ob man sich hiergegen rechtlich wehren kann. Für bestimmte Verschluss- und Hebetechniken solcher Kugeln kann mitunter Patentschutz erreicht werden. Für die Form an sich kommt zudem Designschutz in Frage. Der Schutz als 3D-Marke dürfte eher schwierig werden. Sofern die vorgenannten Schutzmechanismen nicht greifen, bleibt nur der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz gegen Nachahmungen.
Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt.
Wie verhält es sich nach diesen Grundsätzen nun mit den Lippenpflegekugeln? Kann jemand, der mit solchen Kugeln bereits am Markt ist, Nachahmer am Markteintritt hindern? Das OLG Köln hatte so einen Nachahmungsfall zu entscheiden. Das Produkt um welches es ging, wird in einem kugelig-rundlichen Kunststoffbehältnis vertrieben, welches etwas größer als eine Walnuss ist, aufgeschraubt werden kann und aus zwei in etwa gleich hohen Hälften besteht. Ebenfalls ist eine Fuge sichtbar, mit der die Kugel geöffnet werden kann. Das Produkt wird in verschiedenen Duft- bzw. Geschmacksrichtungen angeboten, wobei die Farbe des Behältnisses jeweils an die Duft- bzw. Geschmacksrichtung angepasst ist.
In einer ähnlichen Aufmachung und Form brachte ein anderes Unternehmen ein Produkt in den Markt und es kam zum Rechtsstreit. Das OLG Köln hat in zweiter Instanz eine unlautere Nachahmung bejaht. Nach Auffassung des Gerichts hebe sich die Gestaltung deutlich von den auf dem Markt befindlichen üblichen Verpackungen ab. Für das Design des Produkts seien zahlreiche Designelemente prägend. So zeichne sich die Umverpackung des eigentlichen Pflegebalsams durch eine in der Wahrnehmung kugelförmige Gestaltung (z.B. in der Präsentation als „süße Kugeln“) aus, wobei der Deckel abgeschraubt werde und die Pflegesubstanz sich aus dem unteren Teil des Behältnisses herauswölbe. Die Öffnung erfolge optisch etwa in der Mitte, wobei die Fuge tatsächlich leicht nach unten versetzt sei. Die Gestaltung des Behältnisses erfolge farblich in Pastellfarbtönen.
Dass das Produkt des Nachahmers nicht ganz rund, sondern eiförmig war, war für das Gericht nicht ausschlaggebend. Denn durch die Form, die tatsächlich leicht ovoid gestaltet sei, werde ein kugelförmiger Eindruck erzeugt, so das Gericht. Die erhebliche Bekanntheit des Produkts spreche ebenfalls für die wettbewerbliche Eigenart. Das Gleiche gelte für den Erfolg des Produkts. Im Jahr 2016 hatte das Unternehmen auf dem Lippenpflegemarkt bei Drogerien einen Anteil von 29 %. Auch die im Einzelnen dargelegte und glaubhaft gemachte umfangreiche Bewerbung der jeweiligen Produkte und die Präsenz in den Medien waren nach Auffassung des OLG Köln zu berücksichtigen.
Im Ergebnis wurde für die Kugelform mit dem sich herauswölbenden Pflegebalsam Leistungsschutz gegen Nachahmungen zuerkannt. Man fragt sich natürlich, wie es sein kann, dass dennoch eine ganze Reihe anderer Unternehmen mit Lippenpflegekugeln am Markt sind. Die Entscheidung des OLG Köln hat keine bindende Wirkung für andere Fälle, so dass es auf den Einzelfall und die konkreten Designelemente der kosmetischen Mittel ankommen wird. Nichtsdestotrotz wird zu einer anwaltlichen Beratung bereits in der Phase der Produktentwicklung geraten. Sofern ein Unternehmen hier nicht sorgfältig vorgeht und Leistungsschutzrechte Dritter prüft, drohen irreparable wirtschaftliche Schäden.
Da hat man sich im Marketing wochenlang den Kopf über das neue Design für das umsatzstärkste Produkt zerbrochen und es endlich zur Marktreife gebracht, und nun kommt der Mitbewerber mit einer ähnlichen Verpackung auf dem Markt. Ärgerlich ja, aber kann man sich gegen solche „Me-Too“-Produkte zur Wehr setzen? Wie sehen die Gerichte das? Nachfolgend erhalten Sie einen kleinen Einblick in die Rechtsprechung zu dem Thema.
Zunächst einmal der gesetzliche Rahmen: Verpackungen und Verpackungsdesigns lassen sich nur unter sehr engen Bedingungen als Marken oder Designs schützen und selbst wenn Schutz besteht, ist der Schutzumfang in der Regel begrenzt. Der Verbraucher ist im Massengeschäft mit Verbrauchsgütern an verschiedenste Gestaltungsformen gewöhnt, weniges an neuen Designs und Gestaltungen ist so herausragend oder einprägend, dass es auf ein bestimmtes Unternehmen hinweist. Eine solche Hinweisfunktion bzw. Eigenart ist jedoch generell Voraussetzung, um als Marke oder Design schutzfähig zu sein bzw. Schutzumfang zu genießen. Hier bleibt zumeist nur der Schutz durch das allgemeine Wettbewerbsrecht. Nach § 4 Nr. 9 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist es einem Mitbewerber untersagt, Waren oder Dienstleistungen anzubieten, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen des Mitbewerbers sind, vor allem wenn er a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt und b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt. Entscheidend ist hierbei immer der Gesamteindruck im Vergleich der beiden in Frage stehenden Produktaufmachungen. Hier ein paar Beispiele, wie Gerichte solche Fälle beurteilen:
Ein Unternehmen wollte sich an die bekannten „Mikado“-Schokosticks anlehnen. Das Oberlandesgericht Köln hat das untersagt, da es der Auffassung ist, dass die Keksstangen selbst Nachahmungsschutz genießen, auch wenn ihnen Markenschutz versagt wurde. Das sei hier der Fall, ausweislich einer Verbraucherbefragung kamen diese 66% der befragten Verbraucher bekannt vor. Insgesamt handele es sich um eine einzigartige Produktform im deutschen Markt (OLG Köln, Urteil vom 28.06.2013). Im Segment der Süßwaren stritten Haribo und Katjes ebenfalls vor dem OLG Köln um Schaumzucker und Lakritz in Pandaform. Die Kölner Richter sahen in der Haribo-Aufmachung keine Nachahmung, die Grundidee der Pandaform sei nicht monopolisierbar, zudem seien die einzelnen Gestaltungsmerkmale unterschiedlich, auch habe das Katjes-Produkt „TAPPSY“ keinen hohen Bekanntheitsgrad (OLG Köln, Urteil vom 26.07.2013). Wiederum das OLG Köln sah in dem Produkt „KNUSS“ eine unlautere Nachahmung von „KNOPPERS“, ausschlaggebend war hier vor allem die nahezu identische Schlauchverpackung mit Laschen und Zacken, eine ähnliche Schriftgröße, ein gestalterisch ansteigender Produktname auf der Verpackung, ähnliche Hintergrundfarben sowie ähnlich angeordnete Abbildungen des Produktes und der Zutaten (OLG Köln, Urteil vom 16.08.2013). Auch die Verpackung des Produktes „Atemgold“ mit einem Eisbären stuften die Kölner Richter als unzulässige Nachahmung des Produktes „Wick Blau“ ein, auf dem ebenfalls ein Eisbär abgebildet war (OLG Köln, Urteil vom 15.01.2010). Weitere Entscheidungen des OLG Köln betrafen u.a. die Schokoriegel „Snickers“ und „Bounty“, dort allerdings mit sehr fragwürdigen Ergebnissen (Urteil vom 20.12.2013).
Der Einblick in die Rechtsprechung der deutschen Gerichte zeigt, dass immer der Einzelfall entscheidet, eine klare Linie der Gerichte ist hierbei nicht zu erkennen. Die meisten Urteile werden in zu dem Thema von den Kölner Richtern entschieden, da diese in der Regel eher streng zu Gunsten derjenigen urteilen, die sich auf eine unlautere Nachahmung ihres Produktes berufen. Es ist zu hoffen, dass sich dieses „Monopol“ irgendwann einmal auflöst, da es nicht sein kann, dass wenige Richter die Rechtsprechung für ein ganzes Land prägen, zumal einige Entscheidungen wenig nachvollziehbar sind. In jedem Fall sollte einer Vermarktung eines „Me-Too“-Produktes stets eine sorgfältige rechtliche Prüfung vorausgehen.
Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Florian Meyer